
Einem Arbeitsverhältnis liegt in der Regel ein schriftlicher Arbeits- oder Tarifvertrag zugrunde. In diesem Vertrag werden beiderseitig Vereinbarungen getroffen. Kommt es zu einer Verletzung der getroffenen Vereinbarungen sind beide Vertragspartner berechtigt, der jeweils anderen Seite eine Abmahnung zu erteilen. Nicht nur Arbeitgeber können also Arbeitnehmer wegen arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen oder Rechtverletzungen abmahnen, sondern auch Arbeitnehmer können ihren Chef abmahnen, wenn dieser sich nicht vertragskonform verhält.
Im deutschen Arbeitsrecht existiert keine Sonderregelung, um den Arbeitgeber abzumahnen. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gelten dieselben arbeitsrechtlichen Regelungen. Arbeitnehmer können nicht nur Abteilungsleiter und unmittelbare Vorgesetzte abmahnen, sondern auch GmbH-Geschäftsführer, wenn ein Fehlverhalten vorliegt. Erteilt ein Arbeitnehmer seinem Vorgesetzten eine Abmahnung, ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, diese Abmahnung der Personalakte des Arbeitnehmers beizufügen.
Müssen Arbeitnehmer den Arbeitgeber abmahnen, bevor sie wegen einer Vertragsverletzung kündigen? Wenn Arbeitnehmer fristgerecht kündigen, ist keine vorherige Abmahnung des Chefs nötig. Eine ordentliche Kündigung muss der Arbeitnehmer nicht begründen.
Arbeitgeber abmahnen: Fürsorgepflicht verletzt – Abmahngründe
Im Rahmen eines vertraglichen Arbeitsverhältnisses sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, Leben und Gesundheit ihrer Arbeitnehmer zu beschützen (Fürsorgepflicht). Kommt es zur Verletzung der Fürsorgepflicht, kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber abmahnen. Gründe für eine Abmahnung können unterschiedliche Bereiche der Fürsorgepflicht betreffen:
- Lohnzahlung: Arbeitgeber sind verpflichtet, den vereinbarten Lohn bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auszuzahlen. Eine Abmahnung durch den Arbeitnehmer ist gerechtfertigt, wenn kein Lohn oder der Lohn mehrfach unpünktlich gezahlt wird, wenn das Arbeitsentgelt ohne Begründung nicht der vereinbarten Summe entspricht oder vereinbarte Zuschläge und Spesen nicht gezahlt werden. Arbeitnehmer, die ihr Gehalt zu spät erhalten, haben zudem das Recht auf Verzugszinsen. Die Zinshöhe regelt der Arbeits- oder Tarifvertrag oder das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 288 BGB).
- Körperliche Gesundheit (Arbeitsschutz): Der Arbeitgeber muss für Sicherheit am Arbeitsplatz sorgen, sodass Mitarbeiter vor Unfällen geschützt sind und ihre Gesundheit nicht gefährdet wird.
- Psychische Gesundheit: Beleidigungen, Mobbing (Bossing), sexuelle Belästigung oder ähnliches durch den Vorgesetzten sind Fürsorgepflichtverletzungen. Arbeitnehmer können auch dann den Arbeitgeber abmahnen wegen Mobbing, wenn dieser nichts dagegen unternimmt, obwohl er darüber informiert ist. Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter etwa vor Diskriminierung, sexuelle Belästigung oder Mobbing schützen.
- Datenschutz: Arbeitgeber müssen personenbezogene Daten ihrer Mitarbeiter schützen.
- Beschäftigungsanspruch: Ein Teil der Fürsorgepflicht ist, dass Arbeitnehmer die im Arbeitsvertrag vereinbarten Tätigkeiten ausüben dürfen.
- Arbeits-, Pausen- und Urlaubszeiten: Mitarbeiter müssen sich ausreichend erholen können, weshalb Arbeitgeber Pausenzeiten gewähren und Urlaubs- oder Arbeitszeiten so gestalten müssen, dass Arbeitnehmer nicht überlastet werden. Eine Forderung von Überstunden ohne vertragliche Rechtfertigung rechtfertigt etwa eine Abmahnung gegen den Arbeitgeber durch den Arbeitnehmer.
- Schutz der Sachen des Mitarbeiters: Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, die persönlichen Dinge der Arbeitnehmer, die für die Erbringung der Arbeitsleistung notwendig sind, zu schützen. Das heißt, er muss seinen Mitarbeitern zum Beispiel abschließbare Schränke zur Verfügung stellen. Auch das zur Verfügung stellen on Arbeits- und Schutzkleidung gehört zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.
Abmahnung an Arbeitgeber: Formale Anforderungen
Will ein Arbeitnehmer den Chef abmahnen, ist er mit seiner Abmahnung an keine vorgeschriebene Form gebunden. Das bedeutet, die Abmahnung kann sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen. Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitsvertrag festlegt, dass eine Abmahnung schriftlich erfolgen muss. Aus Beweisgründen ist es stets sinnvoll, schriftlich abzumahnen.
Die Abmahnung an den Arbeitgeber muss im Prinzip dieselben Anforderungen erfüllen wie die Abmahnung an den Arbeitnehmer. Folgende Anforderungen an eine Abmahnung müssen laut ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) erfüllt sein:
- Fehlverhalten: In der Abmahnung muss der Arbeitnehmer das Fehlverhalten des Vorgesetzten genau beschreiben. Wer hat was getan, wann, wie und wo?
- Aufforderung: Die Abmahnung muss einen Hinweis enthalten, dass es sich beim Fehlverhalten um eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten handelt. Weiterhin muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auffordern, dieses Fehlverhalten zukünftig zu unterlassen.
- Konsequenzen: Als letzten Punkt kann der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber als Konsequenz androhen, eine Kündigung in Betracht zu ziehen. Dies sollte der Arbeitnehmer allerdings nur dann tun, wenn er für den Betrieb unentbehrlich ist, um nicht seine eigene Kündigung herauszufordern.
Beim Erteilen einer Abmahnung an den Arbeitgeber, muss der Arbeitnehmer grundsätzlich keine gesetzlichen Fristen einhalten. Arbeitnehmer können die Abmahnung auch rückwirkend aussprechen, wenn sie zum Beispiel länger zurückliegende Verzögerungen bei der Gehaltszahlung abmahnen.
Tipp: Bevor Arbeitnehmer den Arbeitgeber abmahnen, sollten sie das Gespräch mit dem Vorgesetzten suchen. Möglicherweise lassen sich bestimmte Dinge auch so klären, ohne dass eine Abmahnung, die sich negativ auf das Arbeits- und Vertrauensverhältnis auswirken kann, erteilt werden muss.
Betriebsrat mahnt Arbeitgeber ab – Geht das?
Das Betriebsverfassungsgesetz sieht verschiedene Rechte für den Betriebsrat vor, die der Arbeitgeber verpflichtet ist, einzuhalten. Rechte des Betriebsrats können zum Beispiel sein:
- Recht auf Information, Unterrichtung, Beratung und Anhörung
- Recht auf Einhaltung einer Betriebsvereinbarung
- Zustimmungsverweigerungsrechte
- echte Mitbestimmungsrechte
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Rechte des Betriebsrats zu beachten. Räumt das Gesetz dem Betriebsrat etwa ein Informationsrecht ein, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat informieren. Hat der Betriebsrat ein echtes Mitbestimmungsrecht, ist der Arbeitgeber verpflichtet, für diesen Bereich eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat zu treffen. Ist eine Maßnahme mitbestimmungspflichtig, darf der Arbeitgeber diese grundsätzlich nicht ohne den Betriebsrat durchführen.
Verstößt der Arbeitgeber gegen ein Recht des Betriebsrats, kann der Betriebsrat den Arbeitgeber schriftlich abmahnen. Die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung sollte eine genaue Beschreibung des Rechtsverstoßes enthalten und den Arbeitgeber dazu auffordern, das Recht des Betriebsrats einzuhalten. Im Schreiben kann der Betriebsrat auch androhen, dass er bei weiterer Missachtung seiner Rechte die Hilfe des Arbeitsgerichts in Anspruch nehmen wird.
Arbeitgeber abmahnen: Gründe
Nicht nur der Arbeitgeber kann Gründe für die Abmahnung seiner Mitarbeiter haben, auch Arbeitnehmer können ihren Arbeitgeber abmahnen. Gründe für die Abmahnung für Angestellte unterscheiden sich von denen für Arbeitgeber. Typische Abmahnungsgründe für Arbeitgeber sind:
- ausbleibende Gehaltszahlung
- mehrfach unpünktliche Gehaltszahlungen
- Gehalt entspricht ohne Begründung nicht der vereinbarten Summe
- ausbleibende Zahlungen von Spesen oder Zuschlägen
- Missachtung des Arbeitsschutzes von Angestellten
- Beleidigungen, Bossing oder sexuelle Belästigung gegenüber Angestellten
- Missachtung des Datenschutzes
- Nichteinhaltung der Arbeits-, Pausen- und Urlaubszeiten
- Forderung von Überstunden ohne vertragliche Rechtfertigung
Das solltet ihr unbedingt wissen und euch immer wieder in Erinnerung rufen
Mehrere Gründe in einer Abmahnung – Ist das rechtens?
Eine Abmahnung ist immer dann unwirksam, wenn in ihr ein Verstoß gerügt wird, der nicht zutreffend ist. Aus rationalen Gründen mahnen Arbeitgeber manchmal in einer Abmahnung mehrere Verstöße eines Arbeitnehmers ab. Abmahnungen mit mehreren Pflichtverstößen sind ungültig, wenn nur einer der Vorwürfe nicht den Tatsachen entspricht.
Will ein Arbeitgeber also mehrere Gründe in einer Abmahnung unterbringen, muss er darauf achten, dass alle Tatbestände sachlich richtig dargestellt und gegeneinander abgegrenzt werden. Ist ein Vorwurf oder ein Tatbestand falsch, muss der Arbeitgeber die gesamte Abmahnung zurücknehmen und die Abmahnung aus der Personalakte entfernen.